Einer der ungewöhnlichen Aspekte der Quantenmechanik besteht darin, dass der Drehimpuls von Elementarteilchen, Atomen oder Molekülen nicht beliebige Werte annehmen kann. Es ist, als ob sich Eiskunstläufer*innen nur mit festgelegten Frequenzen um nur wenige Achsen im Raum drehen dürften. Diese Richtungsquantisierung wurde erstmals von Otto Stern und Walther Gerlach an Silberatomen dadurch beobachtet, dass diese in einem äußeren Magnetfeldgradienten in zwei Richtungen abgelenkt wurden. Das führte zur Entdeckung einer neuen Quantenzahl, des Elektronenspins [1]. Quantenmechanisch ist der Drehimpuls von Elementarteilchen mit einem magnetischen Moment verbunden, einer kleinen Kompassnadel, die in einem räumlich veränderlichen Magnetfeld eine winzige Kraft erfährt.
Um solch kleine Größen zu messen, benötigt man hochspezialisierte Messaufbauten. Quantensensoren sind derzeit die empfindlichsten Apparate, die man dafür bauen kann.
Forscher*innen der Gruppe um Markus Arndt an der Universität Wien betreiben zu diesem Zweck Materiewelleninterferometer. Darin wird die quantenmechanische Wellennatur von Atomen oder Molekülen ausgenutzt, um die magnetische Verschiebung mit Nanometergenauigkeit auszulesen.
Im 'Long-baseline Universal Matter-wave Interferometer' (LUMI) können so Kräfte bis hin zu 10-26 N aufgelöst werden, wie früher mit Atomen demonstriert [2]. Das Gerät ist nicht auf Atome beschränkt und kann sogar mit schweren organischen Molekülen verwendet werden [3]. Dies ermöglicht die Untersuchung einer Reihe magnetischer Phänomene sowohl in Atomen als auch in Molekülen, wie kürzlich im Physical Review Letters veröffentlicht [4].
Die Forscher*innen demonstrierten erstmals eine hochauflösende Version des berühmten Stern-Gerlach-Experiments [1] mit Alkaliatomen. Moleküle sind dagegen, aufgrund ihres Aufbaus aus Dutzenden von Atomen ungleich vielseitiger. Dort gibt es Verbindungen, die sich wie kleine Permanentmagnete verhalten und in ein Magnetfeld hineingezogen werden, oder Moleküle, die nur induzierten Magnetismus kennen und aus dem Magnetfeld herausgedrängt werden. Moleküle können vibrieren und rotieren und auch das ändert ihre magnetischen Eigenschaften - als Funktion der Temperatur.
Am faszinierendsten ist hier die Beobachtung der quantisierten Rotation des "Fußballmoleküls" C60, die zu einer verblüffend starken magnetischen Ablenkung beitragen kann, obwohl das Molekül überhaupt keine freien magnetischen Momente hat, weder in den Atomkernen noch in den Elektronenhüllen. Während oft argumentiert wird, dass Quantenphänomene bei hohen Temperaturen und hohen "Quantenzahlen" klassisch erscheinen, findet man hier, dass die Quantennatur der molekularen Drehung erst bei höheren Temperaturen überhaupt beobachtbar wird.
[1] Gerlach, W., & Stern, O. (1922). Der experimentelle Nachweis der Richtungsquantelung im Magnetfeld. Zeitschrift für Physik, 9 (1), 349-352.
[2] Fein, Y. Y., Shayeghi, A., Mairhofer, L., Kiałka, F., Rieser, P., Geyer, P., Gerlich, S., & Arndt, M. (2020). Quantum-assisted measurement of atomic diamagnetism. Physical Review X, 10 (1), 011014.
[3] Fein, Y. Y., Geyer, P., Zwick, P., Kiałka, F., Pedalino, S., Mayor, M., ... & Arndt, M. (2019). Quantum superposition of molecules beyond 25 kDa. Nature Physics, 15 (12), 1242-1245.
[4] Fein, Y. Y., Pedalino, S., Shayeghi, A., Kiałka, F., Gerlich, S., & Arndt, M. (2022). Nanoscale magnetism probed in a matter-wave interferometer. Physical Review Letters 129, 123001.