Hohe Dichte von Zwillingen in elektrolytisch abgeschiedenem Aluminium

20.11.2019

Bestimmte Fehlstellen, „Zwillinge“, verleihen Metall hohe Härte ohne Verlust bei der elektrischen Leitfähigkeit. Nun berichten ForscherInnen der Gruppe Physik Nanostrukturierter Materialien gemeinsam mit internationalen KollegInnen in „Science Advances“ über die erstmalige Herstellung von Aluminium mit hoher Zwillingsdichte.

Die Gewinnung von Erzen und Erzeugung von Metallen haben wesentlich zur Entwicklung der Menschheit beigetragen. Die meisten Metalle haben eine regelmäßige Anordnung der Atome und heute ist es möglich die Atome abzubilden, speziell mit den Methoden der fortschrittlichen Elektronenmikroskopie. Dabei haben die Ergebnisse von Materialwissenschaftlern gezeigt, dass Fehlstellen in der regelmäßigen atomaren Struktur oftmals von Vorteil sind. Das erscheint überraschend, aber gerade dadurch werden vielfach die vorteilhaften Eigenschaften von Metallen im täglichen Gebrauch bewirkt.

Daher ist es eine wesentliche Frage für die Materialwissenschaften Fehlstellen in der atomaren Anordnung gezielt herzustellen, um die Eigenschaften der Metalle zu verbessern. In diesem Zusammenhang sind Fehlstellen, die Zwillinge genannt werden, von besonderem Interesse. Ein Zwilling in der atomaren Anordnung besteht aus zwei Bereichen, deren atomare Strukturen spiegelbildlich zueinander sind. Zwillinge sind daher perfekt symmetrische Fehlstellen, die es ermöglichen, dass ein Material eine große Härte, eine gute Verformbarkeit und außerdem gute elektrische Eigenschaften hat. Das Phänomen der Zwillingsbildung ist von mehreren Metallen bekannt, aber bis heute galt es als unmöglich, Aluminium mit einer hohen Dichte von Zwillingen herzustellen.

Daher waren Lidija Rafailović vom COMET-Zentrum CEST und Christoph Gammer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften äußerst überrascht, als sie eine hohe Dichte von genuinen Wachstumszwillingen in einer Schicht von Aluminium entdeckten, die sie durch elektrolytische Abscheidung erzeugten. Christoph Gammer und die Koautoren von der Universität Wien verwendeten fortschrittliche elektronenmikroskopische Methoden, um das Material mit atomarer Auflösung abzubilden. Und die hohe Dichte von Zwillingen entfachte dabei Begeisterung.

An dieser Stelle ergab sich die wichtige Frage, das in Aluminium unerwartete Ergebnis zu verstehen. Das Aluminium wurde dazu elektrolytisch abgeschieden, in einem komplexen Prozess, bei dem der Aufbau des Materials durch einzelne Atome erfolgt, die aus einer Flüssigkeit mit Aluminiumsalz stammen. Als Ergebnis der gemeinsamen Anstrengung aller Autoren unter der Leitung von Peter Karnthaler von der Universität Wien wurde ein Modell ausgearbeitet. Dies erfolgte in Kooperation mit einem Team von Materialwissenschaftlern, die computergestützte Methoden verwenden, unter der Leitung von Igor Pašti von der Universität Belgrad und KTH-Royal Institute of Technology in Stockholm. Das Modell zeigt, dass einzelne Wasserstoffatome, die während der elektrolytischen Abscheidung vorhanden sind, die Entstehung der Zwillinge bewirken. Es wird vorgeschlagen, dass das Modell von allgemeiner Anwendung ist.

Obwohl während der elektrolytischen Abscheidung die Probe durch einzelne Atome aufgebaut wird, können große Proben beschichtet werden, wenn der Prozess verstanden wird. Daher ist dieses Ergebnis nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, da es zeigt, dass geringste Mengen von Wasserstoff einen bedeutenden Einfluss haben können auf Prozesse und Reaktionen, die an Oberflächen stattfinden. Die in Aluminium erreichten Zwillingsstrukturen können auch zu mehreren potentiellen Anwendungen führen, wie zum Beispiel zum Ersatz von toxischen Kadmiumbeschichtungen in der Luftfahrtindustrie, oder zur Verwendung als Stromkollektor in modernen Batterien. 

Orginalpublikation:

“High density of genuine growth twins in electrodeposited aluminum”, Lidija D. Rafailović, Christoph Gammer, Christian Ebner, Christian Rentenberger, Aleksandar Z. Jovanović, Igor A. Pašti, Natalia V. Skorodumova and H. Peter Karnthaler; Science Advances  18 Oct 2019: Vol. 5, no. 10, DOI: 10.1126/sciadv.aax3894

Links:

Publikation: https://advances.sciencemag.org/content/5/10/eaax3894

Gruppe Physik Nanostrukturierter Materialien: https://physnano.univie.ac.at/

Atomare Struktur eines Zwillings in Aluminium. Elektronenmikroskopische Aufnahme, Vergrößerung über 10 Millionen. (© Physik Nanostrukturierter Materialien, Universität Wien)