Computerprogramme, die nur ein einziges Mal ausführbar sind, waren für SicherheitsexpertInnen über Jahrzehnte hinweg nicht mehr als eine Wunschvorstellung. Die sogenannten „One-Time“-Programme würden die unerwünschte Weitergabe von Daten sowie die Manipulation und den Missbrauch der Software selbst verhindern.
ForscherInnen von der Fakultät für Physik der Universität Wien haben gemeinsam mit WissenschafterInnen der Singapore University of Technology and Design und des Centre for Quantum Technologies nun Quantentechnologien mit konventionellen Computern kombiniert, um klassische Software zu verschlüsseln. Diese neuartige Kodierung sorgt dafür, dass sich das Computerprogramm nach nur einer Ausführung selbst zerstört. "Eine der spannendsten Eigenschaften dieser neuen Hybrid-Software ist, dass wir sie zu großen Teilen mit bereits zugänglicher Technologie verwirklichen können", sagt Marie-Christine Röhsner von der Universität Wien, eine der Erstautorinnen der Arbeit.
In Wien wurden die Programme nun weltweit erstmals realisiert, indem die klassische Software durch eine Abfolge einzelner Lichtteilchen, oder Lichtquanten, kodiert wurde. Der neue Hybrid-Ansatz, der klassische und quantenphysikalische Elemente zusammenführt, beweist, dass die Einbindung von Quantenphänomenen das Leistungsspektrum unserer konventionellen Computer erweitern kann. Während der Bau eines vollständigen Quantencomputers noch viele technische Herausforderungen birgt, steht die für die "One-Time“-Programme nötige Quantentechnologie schon heute in den Laboren zur Verfügung.
Eine beispielhafte Anwendung für solche Programme ist das Millionärs-Problem nach Yao: ein Szenario, in dem zwei Millionäre wissen wollen, welcher von ihnen reicher sei, jeweils aber das exakte Ausmaß ihres Reichtums nicht bekanntgeben wollen. Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist nun die Verwendung eines "One-Time"-Programms.
Dieses erlaubt den beiden Millionären ihr jeweiliges Vermögen in das Programm einzugeben und mit diesem zu berechnen wer von ihnen reicher sei, bevor sich das Programm durch die Ausführung selbst zerstört. Durch diese Vorgehensweise ist gewährleistet, dass keiner der beiden auf die Originaldaten oder das Rechenverfahren Zugriff hat. Dadurch erhalten die Millionäre eine Antwort ohne ihre finanziellen Details preiszugeben. Diese und andere Programme wurden in Zusammenarbeit mit theoretischen Physikern aus der Gruppe von Joseph Fitzsimons an der Singapore University of Technology and Design, und dem Centre for Quantum Technologies entwickelt. Die praktische Umsetzung im Experiment erfolgte in einem Labor der Universität Wien.
Bis vor Kurzem dachte man, dass es sowohl mit Mitteln der klassischen Physik als auch mit jenen der Quantenphysik gänzlich unmöglich sei, solche "One-Time"-Programme zu realisieren. "Es war schon länger bekannt, dass eine ideale Umsetzung von "One-Time"-Programmen physikalisch nicht möglich ist. Indem wir jedoch zulassen, dass die Programme nicht immer perfekt funktionieren, erlaubt uns die Quantenphysik dennoch selbst-zerstörende Software umzusetzen", erklärt Philip Walther, Leiter der Forschungsgruppe in Wien. "Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten ein Programm zu entwerfen, das diese Fehler großteils kompensiert und so nützliche Anwendungen erlaubt. Ein Beispiel ist die von uns entwickelte Software, mit der eine digitale Signatur delegiert werden kann, die genau einmal verwendbar ist." Neben diesen konkreten entwickelten Anwendungen finden "One-Time"-Programme auch in zahlreichen anderen kryptographischen Protokollen Verwendung.
Die neue Forschungsrichtung der Hybrid-Computer hat auch bereits zu einer ersten Patenteinreichung geführt. Die WissenschafterInnen wollen nun weitere spannende Ansätze erforschen, um klassische Software sicherer zu machen, und das noch bevor ein vollständiger Quantencomputer Realität wird.
Mehr Informationen:
walther.quantum.at
quantum.univie.ac.at
Publikation in Nature Communications:
Quantum advantage for probabilistic one-time programs, Marie-Christine Röhsner, Joshua Kettlewell, Tiago Batalhão, Joseph Fitzsimons, and Philip Walther
DOI 10.1038/s41467-018-07591-2
Quantenphysik ermöglicht selbst-zerstörende Software
07.12.2018