Matrix-Theorie als Ursprung von Raumzeit und Kosmologie

24.05.2018

Wissenschafter der Universität Wien um Harold Steinacker erforschen die sogenannte Matrix-Theorie als Alternative zur Stringtheorie, um u.a. einen möglichen Mechanismus für den Big Bang zu beschreiben.

Die Quantentheorie bildet die Grundlage der modernen Physik. Eine konsistente quantenmechanische Theorie der Gravitation bleibt trotz intensiver Bemühungen eines der großen offenen Probleme der theoretischen Physik. Der Kern des Problems besteht darin, dass auch die Raumzeit eine Quantenstruktur aufweisen muss, für die erst geeignete mathematische Modelle und Theorien entwickelt werden müssen. Wissenschafter der Universität Wien um Harold Steinacker erforschen daher die sogenannte Matrix-Theorie als Alternative zur Stringtheorie, um u.a. einen möglichen Mechanismus für den Big Bang zu beschreiben und publizieren dazu im Fachjournal "Physics Letters B".

Harold Steinacker hat im Rahmen eines vom FWF geförderten Projekts an der Universität Wien eine Lösung dieser Matrix-Theorie gefunden, die nicht nur eine plausible kosmologische Raumzeit beschreibt, sondern zugleich einen möglichen Mechanismus für den Urknall und eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Zeit "davor" bietet. "In unserem Modell signalisiert der Big Bang den Anfang der Zeit, der Raum erstreckt sich aber auch 'davor', wobei die Zeit-Dimension als raumartige Dimension erscheint", erklärt Steinacker. Vor dem Big Bang gibt es in dieser Lösung somit keine Zeitentwicklung, sehr wohl aber einen vierdimensionalen Raum. Der Beginn der Zeit geht mit einer explosionsartigen Ausdehnung einher, die sich später in die wohlbekannte kosmische Expansion verlangsamt.

Die zugrundeliegenden Matrix-Modelle wurden 1996 von japanischen und US-amerikanischen PhysikerInnen eingeführt und sind verwandt mit der Stringtheorie. Dabei sind alle physikalischen Objekte und deren Dynamik in wenigen Matrizen codiert und beschrieben, insbesondere auch die Raumzeit und deren Geometrie. Die Modelle ermöglichen es, tiefliegende Fragen z.B. über die Quantenstruktur der Raumzeit oder die Zahl der Dimensionen unserer Raumzeit zu untersuchen. Eines dieser Modelle steht im Fokus einer Forschergruppe um Harold Steinacker.

Um die Tragfähigkeit des Modells zu klären, mussten die Physiker Modelle finden, die die wesentlichen Eigenschaften der kosmologischen Raumzeit aufweisen. "Unsere Lösungen kommen der beobachteten Kosmologie zumindest nahe. Somit können auch tiefer gehende Fragen nach der Struktur von Raum und Zeit im Rahmen von Matrix-Modellen sinnvoll gestellt und untersucht werden", erklärt Steinacker.

Die gefundenen Lösungen stellen allerdings nur eine Ausgangsbasis dar. Die daraus resultierenden detaillierten physikalischen Vorhersagen müssen weiter dahingehend untersucht werden, ob und wie weit sich darin die bekannte Physik wiederfindet. "Die wesentlichen Bausteine dafür sind im Modell vorhanden, dennoch muss das diskutierte Szenario derzeit noch als spekulativ bezeichnet werden", sagt der Physiker. Langfristiges Ziel ist es, darauf aufbauend weitergehende Vorhersagen treffen und überprüfen zu können. Die aktuelle Lösung bietet dafür jedenfalls einen vielversprechenden Ausgangspunkt.

Quanten-Geometrie
Grundlage für diese Entwicklungen sind neue mathematische Methoden der Quanten-Geometrie, welche in den vergangenen Jahren insbesondere an der Universität Wien entwickelt und adaptiert wurden. Der Zugang über Matrix-Modelle ermöglicht es dabei, Ideen der Stringtheorie aufzugreifen, deren Probleme aber zu vermeiden. Bis zu einem hinreichenden Verständnis dieser Matrix-Modelle und ihrer physikalischen Tragweite bleibt aber noch viel zu tun.

Publikation in "Physics Letters B":
H. C. Steinacker,"Quantized open FRW cosmology from Yang-Mills matrix models“.
Physics Letters B. Volume 782, 10 July 2018, pages 176-180
doi.org/10.1016/j.physletb.2018.05.011 

Diese Publikation wurde als Open Access veröffentlicht. Sie ist unter folgendem Link abrufbar:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0370269318303757 

Die sogenannte Matrix-Theorie gilt als Alternative zur Stringtheorie, um u.a. einen möglichen Mechanismus für den Urknall zu beschreiben. Im Bild: Anton Lehmdens Vision des Urknalls (© By Gugerell [CC0], from Wikimedia Commons).