Kann sich die kausale Abfolge zwischen Ereignissen in der Quantenmechanik ändern?

28.03.2018

ForscherInnen der Uni Wien und der ÖAW stellten sich die Frage, unter welchen Bedingungen die Quantenmechanik kausale Strukturen der Welt "unscharf" werden lässt. In diesem Fall ist eine fixe Abfolge von Ereignissen nicht möglich. Dafür wurde ein neuer theoretischer Rahmen entwickelt und in Physical Review X veröffentlicht.

Die Idee, dass Ereignisse in einer fixen kausalen Abfolge hintereinander auftreten, ist Teil unseres intuitiven Bildes der physikalischen Welt. Das kann man sich so vorstellen: Alice kann Bob eine Nachricht über eine Leitung schicken, die sie beide verbindet. Alice beschließt ein Grillfest zu veranstalten und kann Bob über diese Verbindung dazu einladen. Falls Bob eine Einladung erhält, entscheidet er sich, für das Fest Ćevapčići vorzubereiten. Dies ist ein Beispiel für die Situation, in der das Ereignis, in dem Alice beschließt Bob zum Grillen einzuladen, das Ereignis beeinflusst, in dem sich Bob entscheidet Essen vorzubereiten. Eine solche Abfolge von Ereignissen kennzeichnet eine bestimmte kausale Struktur. Forschung zu den Grundlagen der Quantenmechanik legt jedoch nahe, dass in der Quantenwelt kausale Strukturen "unbestimmt" sein könnten. In einer unbestimmten kausalen Struktur könnte es möglich sein, dass keine bestimmte Abfolge existiert, in der Ereignisse geschehen, d.h. ob Alice Bob beeinflusst oder Bob Alice beeinflusst, könnte nicht festgelegt sein.

Falls Kausalität tatsächlich unbestimmt ist, woher kommen diese unbestimmten kausalen Strukturen? Können sie dynamisch erhalten werden, so dass bestimmte kausale Strukturen unbestimmt werden? Und falls dies der Fall wäre, unter welchen Bedingungen kann dies geschehen? Antworten auf diese Fragen wären bemerkenswert, da sie Aufschluss über die Natur der Kausalität in der Quantenwelt geben würden.

In einer kürzlich im Fachjournal Physical Review X erschienen Publikation zeigte eine Gruppe von PhysikerInnen unter der Leitung von Časlav Brukner von der Universität Wien und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dass - solange die Dynamik kausaler Strukturen kontinuierlich und umkehrbar ist - eine bestimmte kausale Struktur niemals unbestimmt werden kann. Wiederum am Beispiel der Leitung, die Alice und Bob verbindet, erklärt bedeutet das, dass das Biegen oder Dehnen (eine kontinuierliche und umkehrbare Transformation) der Leitung zu keinerlei Änderungen in der kausalen Struktur führen würde, da Alice Bob weiterhin erreichen kann. Falls man die kausale Struktur ändern wollte, müsste man die Leitung entweder unterbrechen und wieder verbinden (nicht kontinuierlich) oder die Leitung ersetzen (nicht umkehrbar). Die ForscherInnen untersuchten auch komplexere Situationen, in denen mehrere Beteiligte einbezogen waren. Zum Beispiel können Entscheidungen einer dritten Person, Charly, unter gewissen Umständen festlegen, ob die kausale Struktur künftiger Ereignisse bestimmt oder unbestimmt ist.

"Unsere Ergebnisse belegen, dass unter den physikalisch vernünftigen Annahmen von Kontinuität und Umkehrbarkeit eine Welt mit bestimmter kausaler Struktur niemals eine Welt mit einer unbestimmten kausalen Struktur werden wird und vice versa", fasst Esteban Castro, einer der AutorInnen der Publikation, zusammen. Diese Erkenntnis könnte zu einem besseren Verständnis der Rolle von Kausalität in der Quantenwelt führen.

Publikation in Physical Review X
"Dynamics of quantum causal structures", E. Castro-Ruiz, F. Giacomini, Č. Brukner
Phys. Rev. X 8, 011047 (2018)
DOI: 10.1103/PhysRevX.8.011047

Dynamik kausaler Abfolgen: Der Beteiligte D kann die kausale Abfolge von künftigen Ereignissen für die Beteiligten A, B und C dynamisch kontrollieren (© Juan Carlos Palomino, Fakultät für Physik, Universität Wien).