Gravitation als Quanteneffekt auf der Quanten-Raumzeit

14.02.2022

Die Matrix-Theorie bietet einen Ansatz zur quantenmechanischen Beschreibung von Gravitation. Darin sind Raumzeit, Materie und Felder in wenigen Matrizen codiert. In diesem Rahmen gelang es nun, den Ursprung der Gravitation zu verstehen und den Zusammenhang zur Einstein‘schen Gravitationstheorie herzustellen.

Die zugrundeliegenden Matrix-Modelle wurden bereits 1996 von japanischen und US-amerikanischen PhysikerInnen eingeführt. Sie sind verwandt mit der Stringtheorie, bieten aber eine präzise und wesentlich konkretere mathematische Formulierung. Die zugrundeliegende Mathematik ist zunächst abstrakter als in herkömmlichen physikalischen Theorien, ermöglicht aber gerade dadurch, die Quantenstruktur der Raumzeit und deren Dynamik zu untersuchen. Ein solches Modell steht im Fokus einer Forschergruppe an der Universität Wien. Das zentrale Problem dabei ist das Zusammenspiel der Quantenstruktur von Raumzeit und Materie.

Ein wesentlicher Schritt zum Verständnis dieser Modelle besteht zunächst darin, die abstrakte Formulierung durch Matrizen in eine konkrete und geometrische Form zu übersetzten, um den Zusammenhang mit der etablierten Formulierung der Physik herzustellen. Die dazu notwendigen Grundlagen wurden über viele Jahre hinweg in mühsamer Arbeit bereitgestellt, wobei wesentliche Beiträge in der Arbeitsgruppe mathematische Physik an der Universität Wien mit geleistet wurden, mit Unterstützung vom FWF.

Auf Basis dieser Grundlagen gelang es kürzlich in einer von Harold Steinacker an der Universität Wien veröffentlichten Arbeit, die zentrale und vielleicht wichtigste Frage im Rahmen dieser Modelle zu klären: wie entsteht Gravitation in der Matrix-Theorie, und wie kann der Zusammenhang mit der etablierten Beschreibung von Gravitation durch die allgemeine Relativitätstheorie verstanden werden?

Dabei zeigte sich, dass ein altbekannter Mechanismus in einer neuen Form realisiert ist: Wie bereits in den späten 60‘er Jahren vom Physiker Andrej Sakharov vorhergesagt, führen Quantenfluktuationen von Materie und Feldern zu einer geometrischen Wechselwirkung, die im wesentlichen die Einstein‘schen Gravitationstheorie realisiert. Im traditionellen Rahmen eines Raumzeit-Kontinuums ist dieser Mechanismus aber nicht anwendbar, da ebendiese Quanteneffekte die Raumzeit viel zu stark krümmen würden. Dies ist gerade das Problem der Quantengravitation.

Hier kommt der abstraktere Rahmen der Matrix-Theorie voll zum Tragen: die dort zugrundeliegende Quantenstruktur der Raumzeit bewirkt eine innere „Steifigkeit“, welche gerade dieses Problem vermeidet. Ein harmonisches Zusammenwirken der Quantenfluktuationen von Raumzeit und Materie wird dadurch ermöglicht. „Der entscheidende Schritt in solchen Untersuchungen ist immer die Entwicklung - oder vielmehr die Entdeckung - einer geeigneten mathematischen Beschreibung dieser Strukturen, um konkrete Berechnungen zu ermöglichen“, meint Steinacker. Letztlich zeigt sich, dass die Matrix-Modelle sogar besser zur mathematischen Struktur von Quantenmechanik passen als traditionellere Modelle. Die Resultate zeigen insbesondere eine Möglichkeit auf, ein zentrales Problem der Stringtheorie zu umgehen, deren Voraussagekraft durch eine unüberschaubare Zahl von möglichen Lösungen stark eingeschränkt ist.

Dennoch wäre es vermessen, das Problem der Quantengravitation als gelöst zu betrachten. Dafür müssen die weiteren Aspekte des Modells besser verstanden werden, und mit der bekannten Physik in Einklang gebracht werden. Vielmehr wurde die Grundlage für einen neuen Zugang gefunden, mit weitreichenden Perspektiven aber offenem Ausgang. „Wir sind noch lange nicht soweit, die Matrix- Theorie vollständig zu verstehen. Aber sie bietet einen völlig neuen Zugang zu den tiefliegenden Fragen der Physik“.

Publikation:

H. C. Steinacker, “Gravity as a quantum effect on quantum space-time”.
Phys.Lett.B 827 (2022) 136946.  https://doi.org/10.1016/j.physletb.2022.136946

Wissenschaftlicher Kontakt
Harold C Steinacker, PhD
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T +43-4277-51526
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