Gödel, Einstein und die Konsequenzen

23.07.2019

In seiner Lösung der Einsteinschen Gleichungen zeigt Gödel die theoretische Möglichkeit von Zeitreisen auf. Anlässlich der Konferenz "Kurt Gödels Erbe" (25.-27. Juli) erklärt Physiker Peter C. Aichelburg den Stand der Theorie.

In seiner Lösung der Einsteinschen Gleichungen zeigt Gödel die theoretische Möglichkeit von Zeitreisen auf. Einstein widerstrebte diese von ihm selbst wachgerufene Vision. Anlässlich der Konferenz "Kurt Gödels Erbe" (25.-27. Juli) erklärt Physiker Peter C. Aichelburg den Stand der Theorie.

In seinen "Sterntagebüchern" erzählt der Science-Fiction Autor Stanislaw Lem die Geschichte eines Astronauten der alleine durchs Weltall fliegt und dessen Raumschiff in einen "Gravitationsstrudel" gerät und zu trudeln beginnt.

Beim Versuch gegenzusteuern bricht die Steuerung. Ein Reparaturversuch schlägt fehl, das steuerlose Raumschiff wird immer tiefer in den Strudel gezogen, der Astronaut wird hin und her geschleudert und schließlich bewusstlos. Als er wieder zu sich kommt, ist eine zweite Person im Raumschiff, die sich um ihn kümmert. Alsbald erkennt der Astronaut, dass es sich dabei um sein Ich aus der Zukunft handelt – konkret vom nächsten Tag. Der Astronaut von morgen fordert ihn auf, gemeinsam nochmals zu  versuchen, die Steuerung zu reparieren, worauf er folgendes antwortet: "Heute ist Dienstag. Wenn du von Mittwoch bist und bis zu diesem Augenblick die Steuerung nicht repariert ist, so geht daraus hervor, dass uns etwas daran hindern wird, sie auszubessern, denn sonst würdest du mich am Mittwoch nicht dazu bewegen wollen, dass ich sie am Dienstag mit dir gemeinsam repariere."

"Die größte intellektuelle Freundschaft seit Plato und Sokrates", so ist das Verhältnis von Kurt Gödel und Albert Einstein beschrieben worden. In seinem Gastbeitrag in uni:view anlässlich der Konferenz "Kurt Gödels Erbe" beschreibt Mathematiker Karl Sigmund wichtige Stationen dieser Beziehung. (© Richard Arens)

Einsteins Angst vor Zeitreisen

Bereits 1914, also noch bevor er die endgültige Form seiner Gravitationstheorie formuliert, befürchtet Einstein, dass solche Zeitreisen möglich sein könnten: "In diesem Fall könnte ein und derselbe materielle Punkt in einem beliebig kleinen raum-zeitlichen Gebiet in mehreren voneinander scheinbar unabhängigen Exemplaren vorhanden sein. Dies widerstrebt meinem physikalischen Gefühl auf das lebhafteste. Ich bin aber nicht imstande, den Nachweis zu führen, dass das Auftreten solcher Bahnkurven nach der entwickelten Theorie ausgeschlossen sei."

Als der Mathematiker Kurt Gödel 1949 eine kosmologische Lösung der Einsteinschen Gleichungen präsentiert, in der zumindest theoretisch Zeitreisen möglich sind, ist Einstein irritiert und Gödel zieht daraus den Schluss, dass Zeit nur ein Konstrukt sei und gar nicht existiere.

Vom 25. bis zum 27. Juli 2019 bringt die Konferenz "Gödel’s Legacy: Does Future lie in the past?" renommierte ForscherInnen aus den Bereichen Physik, Mathematik, Philosophie und Künstliche Intelligenz an die Universität Wien. Zwei der Vorträge – von der Philosophin Juliet Floyd und vom Mathematiker und Kosmologen John D. Barrow von der Cambridge University – wenden sich an ein öffentliches Publikum. Ergänzt wird die Konferenz durch eine Sonderausstellung über Leben und Werk von Kurt Gödel. Zum Programm

Was sagt die Theorie heute über Zeitreisen?

Dass Zeit in Abhängigkeit von Bewegung vergeht, ist hinreichend bewiesen. Dieser Effekt muss beispielsweise beim GPS berücksichtigt werden. Zeit vergeht also "individuell", aber gibt es Evidenz dafür, dass Zeit überall in "gleicher Richtung" verläuft? Bei einer Zeitreise vergeht die lokale Zeit für den Reisenden ganz normal, aber irgendwann während der Reise vergeht seine Zeit im Vergleich mit der Zeit der Daheimgeblieben rückwärts. Er merkt es erst bei der Rückkehr in eine Umgebung, die er in einem Zustand antrifft, wie sie lange vor seiner Abreise war.

Wie Gödel gezeigt hat, lassen sich Lösungen angeben, in denen das möglich ist, aber sind sie in der Natur realisiert oder ist es nur ein mathematisches Kuriosum? Wenn eine durch Beobachtungen und Experimente gut abgesicherte Theorie solche Aussagen macht, aber keine Evidenz vorliegt, dann sind WissenschafterInnen gefordert zu untersuchen, warum das so ist. Wenn schon nicht das ganze Gödel-Universum, lassen sich dann zumindest Zeitmaschinen lokal bauen? Wurmlöcher sind dafür populär geworden. Es sind dies Raumzeiten, in denen es kurze Verbindungen nicht nur zu entfernten Regionen, sondern auch zu verschieden Zeiten im Kosmos gibt. Man kommt quasi früher aus dem Wurmloch heraus, als man in es "eingetreten" ist.

Neugierig geworden? Die Forschungsgruppe Gravitational Physics unter der Leitung von Piotr T. Chruściel widmet sich den großen Fragen der Quantenphysik und Gravitation. Sie beschäftigt sich mit Themen wie schwarzen Löchern oder Abschirmung der Gravitation. Ebenso ist an der Universität Wien die Forschungsplattform Testing quantum and gravity interface with photons /TURIS angesiedelt.

Leider aber lassen sich solche durchdringbare Wurmlöcher nicht mit der uns bekannten Materie erzeugen, sie verschließen sich, bevor man durch ist. Der im vergangenen Jahr verstorbene renommierte Physiker und Kosmologe Stephen Hawking postulierte, dass es unmöglich sei, eine Zeitmaschine zu bauen. Tatsächlich scheinen uns die Einstein'schen Gleichungen davor zu bewahren, aber das letztes Wort ist darüber noch nicht gesprochen. Sicher ist auch, dass bisher noch niemand seinen Großvater erschossen hat, bevor dieser den Vater zeugen konnte.

Peter Christian Aichelburg ist Professor für Theoretische Physik an der Universität Wien und forscht im Bereich der Gravitationstheorie, der klassischen Feldtheorie und im engeren Sinn der Allgemeinen Relativitätstheorie (geometrische Aspekte, mathematische Formulierungen). Er ist Teil der Forschungsgruppe Gravitational Physics unter der Leitung von Piotr T. Chruściel.

Was sagt die Theorie heute über Zeitreisen? Dieser Frage widmet sich Physiker Peter C. Aichelburg in seinem Gastbeitrag. (© Pixabay/WikiImages CC BY 2.0)