Kristallstruktur von Superkristallen enthüllt

23.08.2018

Ein ForscherInnenteam mit Beteiligung der Arbeitsgruppe Computational Physics stellte seine neusten Ergebnisse über die Struktur von kolloidalen Superkristallen aus Nanoteilchen in Advanced Materials vor, einer der angesehensten Zeitschriften in den Materialwissenschaften. Die Arbeit wurde zudem als "Inside Front Cover" ausgewählt.

Die publizierte Arbeit befasst sich mit der Thematik der Selbstorganisation, also der Prozess in dem einzelne, in Lösung dispergierte Nanoteilchen zu einer geordneten Struktur zusammenwachsen: einem Superkristall. Mit Hilfe von Röntgenbeugung (SAXS) konnten die ForscherInnen in-situ, d.h. in Echtzeit während dem Wachstum, bei diesem Selbstorganisationsprozess zusehen und grundlegende Fragen zu der Prozesskinetik beantworten. Bestätigt wurden die Ergebnisse durch Computersimulationen, welche darüber hinaus eine neuartige Beziehung zwischen der Orientierung der nicht-sphärischen Nanokristalle und der Superkristall-Struktur herstellen.

“Experimente dieser Art sind nur an einer Großforschungsanlage wie der  Synchrotronstrahlunsquelle ELETTRA in Triest möglich", erklärt der Leiter des Forschungsteams, Rainer Lechner vom Institut für Physik der MU Leoben. Die Messungen wurden an der Austro-SAXS beamline der TU Graz durchgeführt, die sich unter der Leitung von Heinz Amenitsch vom Institut für Anorganische Chemie befindet. Die einzelnen Nanokristalle (Größe um die 20 Milliardstel Meter) für den Zusammenbau dieser neuartigen Superkristalle wurden von KollegInnen der ETH Zürich und der FAU Erlangen-Nürnberg chemisch synthetisiert und für dieses Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt.

Der Erstautor des experimentellen Teiles dieser Arbeit, Max Burian, hat bereits während seiner Masterarbeit in Leoben am Institut für Physik begonnen Methoden zu entwickeln, um aus den Streudaten auch die genaue Form der Nanokristalle zu bekommen. “Die geometrische Form der einzelnen Nanokristallen beeinflusst maßgeblich die spätere Kristallstruktur der mikrometergroßen Superkristalle”, erläutert Max Burian, der auch während seiner Doktorarbeit an der Austro-SAXS beamline an diesem Thema weiter forschte.

Parallel dazu hat die Erstautorin des theoretischen Teiles dieser Arbeit, Carina Karner, während ihres Doktorats an der Universität Wien ein Simulationspaket geschrieben, welches die Selbstorganisation genau solcher nicht-sphärischer Nanoteilchen modellieren kann. Mit Hilfe dieses Simulationspakets konnten Carina Karner und Christoph Dellago, dem Leiter der Arbeitsgruppe Computational Physics  an der Fakultät für Physik, das Kristallwachstum im Computer realitätsnah simulieren und darüber hinaus Erkenntnisse gewinnen, die aus dem Experiment nicht erkennbar waren:  “Wir haben eine neue Orientierungsphase entdeckt, in der die Nanokristalle sechs verschiedene globale Orientierung aufweisen, während sie ihre Position am Gitter beibehalten”, erklärt Carina Karner.

Die einzigartige Kombination von Experiment und Simulation, der Zugang zu einer europäischen Großforschungsanlage, sowie die Zusammenarbeit zwischen drei österreichischen Universitäten und internationalen Forschungspartnern ermöglichten diese wissenschaftlichen Ergebnisse, fasst Rainer Lechner zusammen. Diese Erkenntnisse erleichtern die Anwendung von kolloiden Nanokristallen als sogenannte „künstliche Atome“ um synthetische Festkörper und Werkstoffe herzustellen, die geplante und völlig neuartige Materialeigenschaften aufweisen.

A Shape‐Induced Orientation Phase within 3D Nanocrystal Solids, Max Burian, Carina Karner, Maksym Yarema, Wolfgang Heiss, Heinz Amenitsch, Christoph Dellago, and Rainer T. Lechner, Adv. Mater. 30, 1802078 (2018). DOI: https://doi.org/10.1002/adma.201802078

> Inside Cover

Das Inside Front Cover zeigt künstlerisch den Röntgenstrahl der auf die zusammen- gewachsenen Nanokristalle trifft und das darunterliegende Streubild erzeugt. Über die Auswertung des Streubildes und mit Hilfe der Simulation bekommt man wiederum die Struktur des Superkristalls. (© WILEY‐VCH Verlag)